Poesie der Transformation – Hans Aeschbach + Daniel Zimmerman
Yujin Kim
Hans Aeschbach: Bild als lebendiger Organismus
Zustandsveränderungen, wie z. B. Wachstum und Schrumpfung, sind biologische Phänomene, die Aeschbach häufig in seinen Bildkompositionen umsetzt. Er begreift Bewegungsenergie als Antrieb zur Gestaltveränderung, was bereits in seinen Arbeiten aus den 1930er-Jahren, in denen die Metamorphose ein beliebtes Bildthema für ihn war, erkennbar ist. Während die Metamorphose in seinen frühen Bildern durch eine «surreale» Verfremdung definiert wurde, versteht er in seinem Spätwerk die Bewegung an sich als Zustandsveränderung. Seine Idee, Bewegung als zentralen Impuls für räumliche und zeitliche Veränderung zu begreifen, stammt ursprünglich von Paul Klee, der in der Beschäftigung mit der strukturellen Verwandtschaft von organischem Wachstumsprozess und bildnerischer Konstruktion die künstlerische Schöpfung an sich reflektierte. Transformation, ein grundlegendes Naturprinzip, wurde von Aeschbach als ideale Gestaltungsmethode hervorgehoben.
Die in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten Aeschbachs bewegen sich zwischen Zeichen und freier Form und assoziativer Figur. Gerade schriftartige, kalligrafische Bilder resultieren aus einer zeichnerischen Geste und zeigen diese grafische Eigenschaft deutlich auf. Aus der Handbewegung des Künstlers wird eine plastische Linie, aus den temperamentvollen Schwüngen des Zeichnens entstehen Kanten, Drehungen und manchmal auch zufällige Pinselspuren. Organisch-lebendig konturierte Formkörper funktionieren wie die signalhafte Zusammensetzung von Zeichen. Aus zwei Kreisen mit einem Pfeil entsteht das Bild einer Frau, aus einer ovalen Form und einem Kreis in der Mitte entsteht ein Auge. Die runden und die Wellenlinien können im Hinblick auf den durch Reduktion und Abstraktion geprägten Malprozess als essenzielle Formen des Organischen oder Körperlichen begriffen werden: Aeschbachs Motive wie der weibliche Körper, Haare, Früchte oder Schneckenhäuser wurden in seinen Bildern häufig mittels runder Linien und Flächen reduziert wiedergegeben. Gerade Linien habe hingegen ambivalente Rollen, mal implizieren sie räumliche Begrenzung, mal geben sie die Bewegungsrichtung oder die Mittelachse eines wachsenden organischen Wesens vor. Das Nutzen von Gegensätzlichkeit auf der Kompositionsebene, u. a. durch das Aufeinandertreffen von runden und geraden Elementen, ist eine für Aeschbach typische Vorgehensweise, die er im Laufe der 70er-Jahre noch weiterentwickelte. In der Zusammensetzung von geraden und kurvigen Linien und durch die systematische Wiederholung einer bestimmten Farbreihenfolge oder die spiegelbildliche Gegenüberstellung der Farben wird eine bestimmte Bewegungsenergie oder Bewegungsform visualisiert.
Transformation des Sichtbaren: Daniel Zimmermann
Daniel Zimmermann, der das subversive Potenzial der Hybridität und Transidentität, sowohl im Leben als auch in der Kunst, befürwortete, gewinnt an Aktualität im Hinblick auf den heutigen Genderdiskurs. Als bekannter Objektkünstler stellte er seine Werke mit Künstlern seiner Generation wie Ian Anüll, Urs Frei, Fischli/Weiss, Adrian Schiess und Ugo Rondinone aus. Wie viele KünstlerInnen seiner Generation stand er im Zentrum der Jugendbewegung in den 80er-Jahren und stellte die herkömmlichen Massstäbe zur Bewertung von Kunst und gesellschaftlicher Norm in Frage. In vielen frühen Werken wurden Alltagssymbole und banale, häufig industrielle Alltagsgegenstände spielerisch und malerisch miteinander verbunden und verfremdet. Im experimentellen Spiel mit der Welt der Konsumgüter und Massenmedien wird auf die zufällige Etablierung von Sprach- und Bildzeichen, wie beispielsweise Piktogramme und Symbole, aufmerksam gemacht und der Wandlungsprozess der Reproduktion in den Medien reflektiert.
Während seine frühe Arbeit durch den Akt des Widerstands und eine ironische Haltung geprägt war, zeigt sein Spätwerk eher ernste, nihilistische Motive, die sich zwischen Resignation und Revolte bewegen. Die Serie «Knüller» besteht aus Bleistiftzeichnungen, die verschiedene Formen von zerknülltem Papier bis auf die kleinste Falte detailgetreu nachbilden. Das zerknüllte Papier macht einerseits auf den künstlerischen Prozess des Grübelns und Scheiterns aufmerksam, die beim Zerknüllen entstandenen Muster im Papier verweisen anderseits auf ironische Art, dass nicht die geniale Idee des Künstlers, sondern der Zufall ein Kunstwerk entstehen lässt. In seinen Werken negiert er häufig die klischeehafte Idee, die Kunst in die Kategorie des Ästhetischen und der gelungenen Leistung einordnen will. Die Serie «Nivea», die in unzähligen formalen Variationen eine halb flüssige, weiche Masse darstellt, und die Serie «Augentropfen», die verschiedene Formen der Tropfenbildung nachzeichnet, fokussieren die Zustände und Momente, bevor überhaupt eine Form entsteht. Häufig sind Zimmermanns Titel irreführend in Bezug auf die Identifikation des Dargestellten, denn bei dem Gezeigten muss es sich nicht tatsächlich um die Nivea-Cream oder Augentropfen handeln. Zerknitterte, gerade eben von der Rolle abgezogene Alufolie in der Serie «Heiss halten» zeigt Verpackungsmaterial, dessen Funktion jedoch ungewiss bleibt. Trotz der Virtuosität und Detailtreue schwingen in Zimmermanns Zeichnungen irritierende und provokative Fragen mit: Ist das Dargestellte gleichbedeutend mit dem Genannten? Kann jemals eine Bleistiftskizze die Materialität von Alltagsgegenständen perfekt wiedergeben? Welche Perspektive und Teile der Realität kann und soll ein Kunstwerk darstellen?