Hommage to Hans Aeschbach – Luigi Archetti, Eva Ducret, Christophe Geel, Christian Küenzi, Enrico Mattioli, Pietro Mattioli, Adrian Schiess, Bernhard Schobinger, Andreas Steinemann, Madeleine Steiner, Stefi Talmann, Peter Vetter, Daniel Zimmermann
Yujin Kim
Durch das Engagement der beteiligten KünstlerInnen, die Förderung durch verschiedene Kulturstiftungen und die Unterstützung der Familie Aeschbach konnte die im Jahr von Hans Aeschbachs 110. Geburtstag stattfindende Ausstellung realisiert werden. Mit einem einfachen Inventarisierungsprojekt, das die systematische Dokumentation von Hans Aeschbachs Werken zum Ziel hatte, fing es an. Während meiner Recherchearbeit lernte ich einige seiner ehemaligen SchülerInnen und MitarbeiterInnen kennen, z.B. Andrea Hochuli-Schmid, die die künstlerischen Arbeiten Aeschbachs sehr schätzt und den Vorschlag machte, Aeschbachs Schaffen und seine Wirkung im Rahmen einer Ausstellung zu präsentieren. Aus dieser Idee entstand diese Gruppenausstellung einerseits als Hommage an den ehemaligen Lehrer der Kunstgewerbeschule und andererseits auch als Prüfstein, der verdeutlichen hilft, inwiefern Aeschbachs pädagogische Konzepte gegenwärtig noch interessant und einflussreich sind und die damalige Lehre an der Kunstgewerbeschule Zürich als noch heute gültig empfunden werden kann.
Bis 1984 war die Kunstgewerbeschule Zürich (KGSZ) die Ausbildungsstätte für angehende Künstler, Fotografen, Grafiker und viele andere gestalterische Berufe im Kanton Zürich und als wichtiges Vorgänger-Institut ein Wegbereiter für die Schule für Gestaltung Zürich (SfGZ) und die Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Die 1878 gegründete Schule, die in enger Verbindung zum schweizerischen Werkbund und seinen innovativen Gestaltungskonzepten stand, fand, unter der Leitung von Julius de Praetere, Alfred Altherr, Johannes Itten und Hans Finsli und mit renommierten GrafikerInnen und DesignerInnen wie Ernst Keller, Josef Müller-Brockmann, Sophie Taeuber-Arp und Elsi Giauque in ihrer Lehrerschaft, internationale Beachtung, indem sie die gestalterischen Akzente auf den prägnanten, präzisen Ausdruck und die reduzierte Formulierung von Form und Farbe setzte. Die Basis für den Einstieg in die gestalterische Weiterbildung wurde im Vorkurs geschaffen, der eine wichtige Station für das Erwerben von visueller Sensibilität im Hinblick auf Gestalt und Raumordnung darstellte. Hans Aeschbach war 30 Jahre lang als Vorkurslehrer an der KGSZ tätig.
Viele seiner Schüler aus dem Vorkurs arbeiteten nach der Ausbildung erfolgreich als Grafiker, Fotografen, Designer oder Künstler – sowohl in der Schweiz als auch international. Hinsichtlich der Materialen, Motive und Arbeitsmethoden sind die im Rahmen dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten so unterschiedlich, dass man sie nicht unter einem bestimmten Thema zusammenfassen kann – im Gegenteil: Vielfalt und Heterogenität bilden das gewollte kuratorische Konzept. Es bleibt dem Betrachter überlassen, in den Arbeiten seiner Schüler Parallelen zu Aeschbach hinsichtlich der Haltung, Mentalität oder künstlerischen Gestaltung herzustellen. Die ausführliche Auseinandersetzung mit den einzelnen Künstlern und Werken und ihren möglichen Bezügen zu Hans Aeschbach oder zur KGSZ-Tradition soll in späteren Ausstellungen stattfinden, die für 2022 geplant sind.
Luigi Archetti
Luigi Archettis künstlerisches Werk, das sich im Spannungsfeld von Kunst und Musik verorten lässt, wird dem Betrachter auf unterschiedliche Weise gattungsüberschreitend nahegebracht. Visueller und klanglicher Ausdruck treffen durch das Experimentieren mit Materialien, Instrumenten und Tonträgern aufeinander; Visuelles wird in Klangliches übersetzt und umgekehrt. Eine Fusion von Bild, Klang, Raum und Performance entsteht. «Rauschen» ist ein monochromes Gemälde, das wie ein teleskopischer Blick in das Weltall wirkt und ursprünglich auf der vergrösserten Ansicht von Staubpartikeln auf einer Vinylplatte beruht.
Rauschen, 2019, Öl auf Holz, 155 x 112 cm.
Eva Ducret
Ihre Kunstwerke zeichnen sich durch ihre sensible Betrachtung der Umwelt und den intuitiven poetischen Ausdruck von Wirklichkeitserfahrungen aus. Die Verwendung von natürlichen Materialien wie Steine, Wasser und Holz und die Art und Weise, wie sie ihre Werke in der Natur inszeniert, verweisen auf ihre tiefe Verbindung zur Geschichte der Environmental Art. Weitere Themen der Künstlerin sind der ökologische Kreislauf und damit verbundene biologische Prozesse wie z.B. Wandlung, Vermehrung und Vergehen.
Construction-Déconstruction, 2021, Fotografie auf Glasplatten, 21 x 29 cm (Foto: Serge Faudin).
Christophe Geel
Die «Visionsbilder», mit denen er sich seit über 10 Jahren auseinandersetzt, umfassen 2000 Einzelwerke. Rätselhafte, surrealistisch anmutende Kombinationen aus einem komplexen Repertoire von einfachen Gegenständen und persönlichen Symbolen laden den Betrachter immer wieder zu einem paradoxen Gedankenspiel ein, das keine logische Antwort zulässt. Seine Motivzusammensetzung wie z.B. eine Wasserkugel, die sich auf einem im Stil von Van Gogh dargestellten Stuhl befindet, oder eine Schokoladentafel, die sich als Insel mit Golfplätzen entpuppt, verrät die schönen bildhaften Klischees und macht sie zur vorgegaukelten Utopie. Realität ist hier nur als Form des Paradoxons begreiflich.
Wasserkugel, 2010, Tempera auf Baumwolle, 80 x 60 cm.
Christian Küenzi
Er absolvierte die Fachklasse Fotografie bei Walter Binder und spezialisierte sich auf Werbeaufnahmen und Bildberichterstattung. Sowohl seine Werbefotos als auch seine persönlichen Fotografien weisen eine Vielfalt von Motiven wie z.B. Landschaften, Stillleben und Porträts auf. Auch abstrakte und stilistisch heterogene Arbeiten fertigt er an. Die Gemeinsamkeit in seinen Fotografien beruht darauf, dass die subjektive, ästhetische Wahrnehmung des Fotografen immer als Inszenierung erkennbar ist. Die fotografischen Bilder dienen nicht nur der Dokumentation von aktuellen Phänomenen, sondern zeigen deutlich die individuelle Sichtweise des Fotografierenden und die von ihm vorgenommene fotomediale Ästhetisierung.
Wasserreise, 2002, 8-Farben Print, 29 x 39.5 cm.
Enrico Mattioli (1955 - 1991)
Die Werkreihe der Kopfskulpturen aus Hartholz mit Eisenstelen, welche durch ihre temperamentvolle, deformierende Abstraktionsweise an den Primitivismus oder Expressionismus erinnert, ist aber nicht als gefällige Hommage an diese Stile zu verstehen. In seiner Malerei, die Gesichter als Fratzen vexierbildartig in einem komplexen Labyrinth versteckt, wird der Kopf als Bildmotiv durch die Verblendung mit dem Bildraum zu einem undefinierbaren Objekt. Die für diese Serie typische fragmentarische, flüchtige und zeichenhafte Darstellung kann als seine künstlerische Antwort auf den vorherrschenden postmodernen Diskurs der Repräsentationskrise gelesen werden.
Roter Kopf, 1985, Eichenholz bemalt auf Metallstange mit Fuss, 175 x 25 x 25 cm.
Pietro Mattioli
Sein Schaffen ist konzeptuell angelegt und vorwiegend in Serien ausgeführt, die aus einer motivischen und thematischen Vielfalt ein komplexes Referenzsystem aufbauen. Sein Hauptaugenmerk richtet sich auf medienreflexive Fragen in Bezug auf die Bildlichkeit, basierend auf kompositionellen Überlegungen wie Perspektive, Kontrast, Balance, Wiederholung und Abweichung. «Atelierhaus Wuhrstrasse», das sich auf ein von Ernst Giesel gebautes Atelierhaus bezieht, besteht aus einer Serie von aus Ton gefertigten Modellen und gehört zum aktuellen Projekt Mattiolis, das die Geschichte der generationsübergreifenden schweizerischen Künstlerbewegungen aufarbeitet.
Ohne Titel, 2013-18, Keramik glasiert, 2-teilig, 25 x 56 x 25 cm.
Adrian Schiess
Durch das Hinweisen auf Grenzen zwischen im Alltag gegebener und zur Kunst erhobener Farbe und Form wirft seine Kunst immer wieder die Frage auf, was Malerei ist. Der traditionellen Funktion der fiktiven Narration oder des ästhetischen Objekts zuwiderlaufend, zeigt «Fetzen», eine Ansammlung von Fragmenten eines zugeschnittenen, zerrissenen, bunt bemalten Pappkartons, die sinnliche Erfahrung bei der Farb- und Musterwahrnehmung als zufälligen, gedanklichen Prozess des Betrachters. Sowohl das Entleeren von narrativer Zuschreibung als auch die kontextuelle Abhängigkeit bei der Deutung sind charakteristisch in seinem Werk.
Aquarelle, 1993, Wasserfarbe auf Reispapier, 33 x 22.5 cm.
Bernhard Schobinger
Nicht nur traditionelle Schmuckmaterialien, sondern insbesondere Fundstücke aus dem Alltag bilden das Ausgangsmaterial für sein Schmuckdesign. Die unkonventionelle, heterogene Zusammensetzung von Materialien und irritierende Verbindung von Formen und Worten zeigen häufig eine rebellische, provokative Haltung gegenüber sozialen und ästhetischen Normen. Seine strategischen Tabubrüche lehnen sich nicht nur an den Punk-Gestus der 70er-Jahre an, sondern basieren auf der konkreten und konzeptuellen Kunst, die sich durch die puristische, reduzierte Ausdrucksweise einerseits und die humoristische, poetische Kontextveränderung anderseits auszeichnet.
Geflickter Teekrug, 2010, Porzellan mit blauer Unterglasur, Zink, Glas, jap. Echtgold Urushi Lack. Privatsammlung Zumikon.
Andreas Steinemann
Seine Erfahrung als Grafiker und Maler prägt die Formgebung und die Farbbestimmung seines Porzellangeschirrs, das sich durch naturnahe Abstraktion, klaren Aufbau und geometrische Muster auszeichnet. Farbkontrast, Proportion und Raumeffekt werden planartig skizziert und mit Siebdruck oder Neriagetechnik millimetergenau ausgeführt. Der im Film veröffentliche Entstehungsprozess einer Porzellanschüssel «Nr. 71», in dem zugeschnittene, eingefärbte Ton-Flächen präzise zusammengesetzt und durch mehrmalige Stabilisierung in eine Gesamt-Form gebracht werden, verdeutlicht seine Experimentierfreude und seine konzeptuellen Überlegungen.
Schale, gekreuzte Wellen, 2004, eingefärbte Porzellanplatten gebrannt, 15 x 28 cm.
Madeleine Steiner
Der Ausgangspunkt ihrer Malerei ist die Auseinandersetzung mit Farben in ihrer Materialität, indem sie sie mit Sand oder Marmormehl gemischt auf eine Leinwand aus Jute aufträgt. Steiners Malerei ähnelt einem Prozess des Sammelns mehrerer Farbschichten, die immer weiter übereinandergelegt einen tiefen «Raum» erschaffen. Die durch dieses Ansammeln entstehende Erhabenheit des Materials wird durch das anschliessende Abtragen einiger Schichten teilweise spielerisch aufgedeckt. Auf diese Weise lässt sich der zeitliche und räumliche Prozess des malerischen Schaffens erahnen.
Carreaux, 2016, Pigment-Öl-Holz, 50 x 50 cm.
Stefi Talmann
Starke Kontraste von Farben und Materialien, klare minimalistische Gliederung und witzige, verspielte Details sind das Markenzeichen der international gefeierten Schuhdesignerin Stefi Talman. Ausgeprägte grafische Züge, ungewöhnliche Farbkombinationen und handwerkliche Perfektion machen ihre Schuhe zu künstlerischen Objekten. Mit dem innovativen Schuhmodell Bottine ZIP (1979) mit flachen Absätzen und diagonal über den Rist verlaufendem Reissverschluss traf Stefi Talman den Zeitgeist der 80er-Jahre, und dies verhalf ihr zum internationalen Durchbruch. Auch heute gehört es noch zu den beliebten Designobjekten.
Foulardfou 1, 2021, Crêpe de Chine, 65 x 65 cm.
Peter Vetter
Peter Vetter ist international tätiger Designer, Berater und Forscher in den Bereichen Marke, Identität und Grafikdesigngeschichte. Er ist Mitbegründer der seit 2006 bestehenden Swiss Graphic Design Foundation. Das Malen begreift er als reflexive, meditative Tätigkeit im Sinne von Theo Van Doesburgs Axiom, Malerei sei ein «Objekt für den geistigen Gebrauch». In Anlehnung an die Theorie der Konkreten Kunst geht Peter Vetter mit den kompositorischen Schemata von Kontrast und Angleichung, Ordnung und Abweichung spielerisch um. Ab den 90er-Jahren konzentriert er sich auf computergrafische Zeichnungen. Dabei wird die spezifische Farbabstufung und der Kontrast des Rasterbilds zum Ausdruck atmosphärischer Wirkung der Farben und räumlicher Illusion genutzt.
Color Rythm no. 1, 1996, Digitalprint auf Dibond, 66 x 66 cm.
Daniel Zimmermann
Durch das Zerknäulen von Papier entstandene Muster, zufällige Farbflecke und Leimspuren und abstehende Ränder von zerrissenem Klebeband gehören zu den Motiven seiner sensiblen, poetischen Zeichenarbeiten. Die «trashige» Assemblage der Objekte aus dem Umfeld der sog. «guten Form» in der Serie «found objects» reflektieren zum Teil seine Kindheit und auch die schweizerische Designgeschichte. Gegen veredelte, uniformierte Warenästhetik setzt Daniel Zimmermann die authentische Wiedergabe der individuellen Erfahrung, die auch Reibungsmomente des Unvereinbaren beinhalten kann.
Aquarell, 2000 (zirka), Wasserfarben auf Papier, 22.4 x 15 cm.